Dienstag, 23. Oktober 2007

Zu Fuss durch Mombasa

Wer diese Stadt nur anhand ihres Geruchs und dem Müll in den Strassen beurteilt, kehrt ihr zu schnell den Rücken. Wer genauer hinschaut stellt fest, diese Stadt hat Herz, ist bezaubernd und durchaus mehr als man zuerst erwartet.

Ich verlasse mein Hotel zu Fuss. Will es jetzt wissen. Afrika hinter den Kulissen, ohne Brille. Ich habe sämtliche, na ja nicht ganz, aber wenigstens fast alle Wertsachen im Hotel gelassen. Nur meinen kleiner Fotoapparat trage ich versteckt mit mir. Als Muzungu (Weisser) stinke ich zwar immer noch nach Geld. Eben hat mir ein Barkeeper, nachdem er mein Heimatland erfahren hat gemeint: "In Switzerland all people are millionaires". Darauf mach ich mutmasslicher Millionär mich also zu Fuss auf den Weg durch die Innenstadt. Ich will ans Meer, was in Mombasa gar nicht so einfach ist. Der östliche Meeranschluss gleicht nämlich einer Steilklippe. Immerhin, auf einem schmalen Pfad quer durch einen Garten gelange ich an die Klippe und stehe endlich am Meerufer. Unter mir flüchten ein paar tellergrosse Krabben ins rettende Nass und schäumende Wogen nagen am vernarbten Gestein. Weit im Norden erblicke ich einen Strand. Da will ich hin!

Ich gehe meinen Weg zurück und parallel zur Klippe weiter, durch schmale Gässchen des offensichtlich muslimischen Viertels. Aus vielen Eingängen blicken mir neugierige Kinderaugen entgegen. Oft ruf man mir dann freudig "Muzugu" oder "Jambo" entgegen. Ich grüsse freundlich zurück, was die Augen noch mehr erstrahlen lässt. Fast alle Mädchen tragen farbige Kopftücher und sind mit reichen Henna-Ornamenten geschmückt. Einige Kinder gehen barfüssig durch die stinkenden Gassen, welche auch hier im Unrat versinken. Eine Freundin hat mir erzählt, dass viele Menschen in Mombasa ständig krank seien. Das feuchtwarme Klima bildet einen wunderbaren Nährboden für Krankheitserreger und die Kloake in den Strassen verbessert die Situation wohl auch nicht gerade.

Ich gehe weiter, an einer Moschee vorbei, aus der ein Imam in regelmässigen Abständen seine Gebete verkündet. Eine Gruppe Jugendlicher begrüsst mich mit "jambo, karibu in Kenya". Kurz darauf auch eine alte Frau, die gebückt an ihrer Tasche mit gesammeltem Müll herumfummelt. Unglaublich, man würde nicht denken dass ich mich in einer Grossstadt mit einer halben Million Einwohnern befinde.

Von einer Gasse zur nächsten verändert sich die Gegend. Es sind die Kinder, die ich plötzlich nicht mehr antreffe. An ihrer Stelle begegnen mir eine Menge zwielichtiger Gestalten und ein paar Autowracks. Ist es wirklich intelligent hier zu Fuss herum zu spazieren, denke ich mir? Na ja, bei mir ist ja (fast) nichts zu holen, auch wenn ich ja seit heute Morgen ein Millionär bin, denke ich mir und gehe zügig weiter.

Die Gasse wird nun von schäbigen Baracken mit Wellblechdächern gesäumt. Nun bin ich mir sicher, dass ich hier nicht unbedingt hingehöre, gehe aber trotzig zwischen den vielen parkierten Lastwagen hindurch, aus denen mich neugierige Brummifahreraugen beobachten. Vor mir tauchen drei stämmige, ziemlich fies blickende Gestalten auf. Ich gehe weiter, auf sie zu. Ich will keinen Bogen um sie machen, das wäre zu auffällig. Mein Puls steigt an, ich schwitze noch mehr als sonst und ich zwinge mich nicht schneller zu gehen. Noch fünf Meter trennen mich von den zwielichtigen Typen. So stelle ich mir professionelle Schläger vor, fährt es mir durch den Kopf. Noch drei Meter, ich halte die Luft an, zwei Meter... "jambo! Karibu in Mombasa". " Jambo, mzuri sana" erwidere ich und wage es in das düstere Gesicht des Anführers zu blicken, der nun so etwas wie ein Lächeln im Gesicht trägt, auch wenn ich mir nie hätte vorstellen können, dass er zu solch einer Geste überhaupt fähig ist. Mombasa ist wirklich freundlich, wenn man erst einmal einen Blick hinter die Kulissen gewagt hat.

Freitag, 12. Oktober 2007

Ich bin ein Alien mit einem Virus


Blick vom KICC in Nairobi
Originally uploaded by hobbes_ch
Es gibt sie also doch! Mit grossen weissen Buchstaben auf blauem Grund lese ich über dem amtlichen Schalter im Imigration Office "Aliens Registration". Ich dachte eigentlich das wäre im Film "Men in Black" erfunden, hier in Nariobi werde ich aber eines besseren belehrt. Also stelle ich mich natürlich gleich an und siehe da, ich bin auch ein Alien. Von welchem Planet ich komme kann mir zwar niemand sagen aber für die dunkelhäutigen Kenianer ist wohl jedes Bleichgesicht wie ich ein Alien. Ich kriege sogar einen Ausweis, der diesen Sachverhalt bestätigt! Dazu muss ich aber erst nochmals sechs Wochen warten (sagt man mir) und in zwei Monaten (sagt jemand anders mir) ist der Ausweis dann auch wirklich da. Dann mein Visum zwar schon fast wieder abgelaufen und der Alien-Ausweis dementsprechend nutzlos, aber auch das stört hier niemanden. Schliesslich berechnet man mir dafuer zweitausend Schilling, also rund vierzig Franken. Es ist recht teuer ein Alien zu sein, finde ich.

Nairobi ist wie eine überschäumende Spaghetti-Pfanne. Zwar brodelt, schäumt und zischt es überall, aber wer weiss wie, entdeckt darin gerne den einen oder anderen Leckerbissen. Sandra, eine Freundin hier in Nairobi, hilft mir beim Nairobi-Fischen und zerrt mich dazu auf den KICC-Turm, das zweithöchste Gebäude der Millionenstadt. Mein Reiseführer behauptet zwar, es sei das höchste Gebäude, aber wer nicht blind ist und etwas östlich schaut, erkennt unschwer dass da noch ein etwas höherer Turm steht. Auf den darf man aber nicht rauf, wie mir Sandra versichert und so bin ich zufrieden und schiesse ein paar obligate Fotos.

Besonders schön sind von hier oben die knallvioletten Jakarandas-Bäume zu sehen, die an vielen Orten in Nairobi die Strassen säumen und einen penetrant süsslichen Duft verströmen. Leider mag dieser den noch penetranteren Abgasgestank der ständig verstopften Metropole nicht zu übertünchen. Aber daran muss man sich in Nairobi wohl gewöhnen. Daran und auch an den ständigen Lärm. Besonders bewusst wird mir dies in der ersten Nacht im Hotel, wo ich morgens um drei durch einen laut singenden Imam geweckt werde, welcher die Muslime der Stadt zum Gebet ruft. Und um fünf Uhr hat sein Kollege der zweiten Moschee Dienst und gibt sein Bestes um mich wach zu halten. Aber auch daran gewöhnt man sich wohl, wenn man erst mal eine Weile in dieser pulsierenden Stadt lebt.

Am Nachmittag will ich endlich die Fotos vom KICC-Ausflug aufs Internet laden. Ich suche mir also eines der vielen Internet-Cafes aus, wundere mich aber schon bald über die lausige Geschwindigkeit. Noch mehr wundere ich mich dann aber, als nach einer Stunde mein Memory-Stick plötzlich voll ist und keines meiner mitgeführten Programme mehr funktioniert. Auch die hoch geladenen Fotos sind alle kaputt. Ich prüfe kurz den Computer und ahne Böses. Kein Anti-Viren Programm! Und das in einem Internet-Cafe. Das ist etwa wie wenn man auf einer öffentlichen Toilette in Mumbai versuchte einem Patienten steril den Blinddarm zu entfernen. Mein Patient hat sich jedenfalls, was ich im nächsten Internet-Cafe gleich neben meinem Hotel feststelle, mit 543 Viren infiziert.