Mittwoch, 24. September 2008

Zwei Monate offline


Taj Mahal
Originally uploaded by hobbes_ch
Nach einem Besuch beim faszinierenden Taj Mahal gehts nun weiter nach Nepal. Da die hoechsten Berge der Welt nicht gerade mit Intenet-Cafes gespickt sind und ich ausserdem keine Lust habe einen Computer bis auf 6'000m Hoehe zu schleppen, werde ich bis ca. November erst mal offline sein.

In der Zwischenzeit wuensche ich Euch allen einen schoenen Herbstanfang und bis bald mit neuen Fotos und Abenteuern aus dem Himalaya.

Euer Globetrotter

Sonntag, 21. September 2008

Im Ashram


Butterfly
Originally uploaded by hobbes_ch
Eine Wolke Schmetterlinge hüllt mich ein als ich den Jeep verlasse. Sie führen mich geradewegs zu einem überwachsenen Tor auf dem „Phool Chatti Ashram“ steht. Zikaden zirpen ihr aufdringliches Lied welches sich immer wieder bis zu einem Crescendo aufschwingt, dann eine Kurze Pause einnimmt, nur um das sich ewig wiederholende Konzert von neuem zu beginnen. Etwas weiter weg hört man deutlich das Rauschen des Ganges welches nur von gelegentlichen Vogelschreien übertönt wird.

Ich betrete den Innenhof der Anlage. Überall stehen Topfpflanzen. Ein grüner Garten, eingerahmt von leicht renovationsbedürftigen Mauern. Und renoviert wird gerade, wie ich dem Hämmern und Schleifen, Bürsten und Malen entnehme. Bald beginnen die öffentlichen Yoga-Kurse. Da will man vorher nochmals alles piekfein herausputzen.
Das Ashram erweckt den Eindruck einer freundlichen Pension mit riesigem Garten, der aber so dicht mit Bäumen besetzt ist, dass er nahtlos in die Umgebung übergeht. Nur getrennt durch eine niedere Mauer. Dahinter ragen steile Felshänge auf, welche das Tal hier begrenzen. Der Ganges, der hier wie ein breiter Wildbach daher kommt, rauscht nur hundert Meter weiter durchs Tal. Das Bachbett beginnt jedoch direkt vor dem Ashram. Vermutlich kann der jetzt gemässigte Fluss ganz schön anwachsen, wenn die Regenfälle des Monsuns in übermässig nähren. Am anderen Ufer steigt die Böschung steil an und ist hier dicht bewaldet.

Im Innenhof begrüsst mich die indische Form eines Samichlauses herzlich. Er ist kein Inder, wie ich sehe, obwohl er mit dem langen Bart und seinem Turban leicht mit einem verwechselt werden könnte. Er stellt sich als „Guru Sant“ vor, was ich mir nie werde merken können. „Du kannst mich auch einfach Sadi nennen“ und bietet mir einen Stuhl an. Neben den zahlreichen Handwerkern entdecke ich eine Inderin in wallendem orangen Sari, ein ebenfalls orange gekleideter zweiter Guru (indischer Abstammung) und ein älterer Herr anwesend, der allem Anschein nach der Besitzers der Anlage zu schein seint.
Sadi erklärt mir die Anlage und weist mich auf die einfachen Regeln hin. Ashrams haben manchmal ziemlich umfassende Richtlinien die zu beachten sind. Im Phool Chatti Ashram hält man es recht locker. Gegessen wird in der Gruppe und zwar um acht Uhr, zwölf Uhr dreissig und neunzehn Uhr dreissig. Dazwischen gibt es Tee um zwei und einen Indischen Gottesdienst um sieben, der aber freiwillig ist. Während dem Essen darf nicht gesprochen werden und die „Tenu“-Regel schreibt mindestens Shorts und Tshirt für Männer, Schulter und Bein bedeckende Kleidung für Frauen vor. Alles annehmbar, finde ich und lasse mir von Guru Sadi mein nettes Zimmerchen zeigen. Für dreihundert Rupien (etwa vier Franken) pro Tag inklusive aller Mahlzeiten kann man nichts sagen. Ich bin happy!

Essen im Lotus-Sitz
Ein Gong kündig die erste Mahlzeit an. Da ich keine Ahnung habe wie das hier abläuft, stelle ich mich einfach schüchtern in den Hof. Von überall kommen Inder mit rostfreien Tellern und Tassen gelaufen und setzten sich in den rechteckigen Essraum. Tische gibt es nicht. Nur zwei lange Matten die als Sitzgelegenheit den Wänden entlang ausgebreitet wurden. Alle setzen sich in zwei Reihen hin, die Teller und Tassen vor sich gestellt. Ich erhalte auch einen der einheitlichen Teller und setze mich irgendwo dazwischen. Die Inder sitzen alle in der Lotus-Stellung, also mit seitwärts angewinkelten Beinen, die Füsse jeweils auf dem Oberschenkel des gegenüberliegenden Beines.

Ich versuche es unter deutlichen Schmerzen ihnen gleich zu tun, komme aber auf keinen grünen Zweig. Wenn ich die Beine so anwinkle wie sie, kann ich mich nicht mehr aufrecht hinsetzen. Tue ich es nicht, stehen mir meine Knie im Weg und ich komme nicht mehr an den Teller ran. Unter deutlicher Anstrengung und einigen reichlich unreligiösen inneren Flüchen schaffe ich das eine Bein anzuwinkeln und das andere irgendwie auf die Seite zu biegen. So komme ich – wenn auch unter Schmerzen - fast an den Teller ran, der inzwischen mit diversen gelblichen und beigen Saucen, zwei Giabattis und Reis gefüllt wurde. Gegessen wird jedoch noch nicht. Man wartet auf irgend etwas. Plötzlich murmelt die Inderin im orangen Sari etwas laut vor sich hin und alle andern – ausser ich – antworten in Hindi auf den Singsang. Das war das Zeichen, man isst.
Ich versuche mich über die Speisen zu beugen um nicht alles vollzukleckern. Es geht nicht. Unmöglich. Ich bin nicht gelenkig genug und muss meinen Löffel in einem weiten Bogen vom Teller bis zum Mund führen. Natürlich versaue ich dabei nicht nur den Boden, sondern auch meine ganzen Beine. Mit peinlich verzogenem Gesicht schiele ich um mich, ob meine unprofessionelle Esstechnik von den Indern bemerkt wurde. Glücklicherweise sind alle andern nur eifrig mit ihren eigenen Tellern beschäftigt und keiner scheint meinen Fauxpas bemerkt zu haben.

Nach dem Essen kann ich zum Glück im Ganges baden und so die Spuren meiner alternativen Esstechnik den Göttern opfern. Das herrliche Nass riecht hier ausnahmsweise nicht und ist wunderbar erfrischend. Ein kleiner Sandstrand lädt zum faulenzen ein und die himmlische Ruhe verleiht dem Ort etwas magisches. Die Schmetterlinge sind auch hier allgegenwärtig. Wie Farbspritzer zieren sie das Ufer in den schillernsten Farben. Noch nie habe ich eine solche Menge unterschiedliche Schmetterlinge an einem Ort beobachtet. Wo so viele Schmetterlinge sind, kann es nichts böses geben, denke ich mir und pflanze mich auf meinem Handtuch in den warmen Sand. Morgen werde ich den berühmten Wasserfall hier in der Nähe erkunden!

Unter dem Wasserfall
Ein steiler Pfad führt mich in Mäandern den dicht bewaldeten Hang hinauf. Orange Pilze überziehen modrige Baumstümpfe die sich am Wegesrand still vor sich hin zersetzen. Die noch tief stehende Sonne wird vom linken Bergrücken abgeschirmt, doch die Luft ist trotzdem sehr warm und extrem feucht. Schnaufend und dampfend erreiche ich eine Weggabelung, an welchem ein hilfsbereites Individuum ein Kartonschild gebastelt hat, welches mich unbedingt nach rechts auf einen kleinen Morastpfad locken will. Jedenfalls wenn ich zum „W F“ will, was ich mit „Waterfall“ interpretiere. Ich vertraue dem Wegweiser und stapfe den feuchten Pfad entlang. Bald schon wird der Weg nicht nur bedeutend steiler, sondern zur zusätzlichen Herausforderung auch noch bedeutend glitschiger. Aus dem Morast wird hier abgerundeter Stein und zwar in solcher Gestalt, das die Schuhe auf keinen Fall Halt darin finden. Im Geiste sehe ich plötzlich Inder mit grossen Saugnäpfen an den Füssen die den Pfad locker barfuss erklimmen. Europäer in Wanderschuhen wie ich gleichen bei der selben Übung mehr einem Goofy in einem Zeichentrick der auf Glatteis läuft. Heftiges Rudern mit den Armen und unterdrückte Schreie helfen auch nicht viel um Höhe zu gewinnen und die Einzige Hilfe in der prekären Situation ist ein kleiner Bach, der mir nun plötzlich über den „Weg“ entgegen fliesst. Der Bach macht die Passage endgültig unpassierbar, es sei denn, man entwickle sich ein paar Millionen Jahre rückwärts und wechsle wieder in eine vierbeinige Gangart. Mit den Händen im dornigen Gestrüpp links und rechts vom Weg und mit den Füssen wild rudernd komme ich in bescheidenem Tempo voran und erreiche nach einiger Zeit tatsächlich den gesuchten Wasserfall. Dieser verschlägt mir zwar nicht gerade den Atem (dafür haben wir in der Schweiz einfach zu viele davon und erst noch um einiges grössere... aber man soll ja nicht vergleichen!) ist aber trotzdem ganz nett. Glücklicherweise habe ich vorgesorgt und bin bereits mit Badeshorts bewaffnet.

Fünf Minuten später stehe ich jubelnd unter dem kühlen Nass, das von ziemlich weit oben auf meinen Rücken donnert. Die Massage ist entsprechend heftig und erinnert mich sehr an die Düsen im heimische Solbad. Ausser das man hier nicht achtzehn Franken die Stunde dafür bezahlt!


Den Nachmittag verbringe ich am nahen Sandstrand am Ganges. Ich hätte wirklich nicht erwartet, das ich einmal Strandferien am Ganges verbringe, doch das kühle Nass und der herrlich feine Sand ist etwas vom besten was ich in Indien bisher gefunden habe. Zu verlockend um es nicht zu nutzen, auch wenn dabei die geplanten Meditationsübungen etwas kürzer treten müssen. Ich erfinde also kurzerhand die indische Strand-Meditation welche ganz einfach mit einem Handtuch und einem iPod durchgeführt werden kann und meditiere fleissig.

Natürlich kann ich trotz Meditation nicht lange ruhig liegen und erinnere mich bald der putzigen Steintürmchen, welche im Tessin so populär sind. Hier habe ich noch keinen einzigen dieser Türme gesehen. Etwas Kulturaustausch kann nicht schaden, sage ich mir, und ein paar Stunden später steht ein mannshoher Steinturm vor mir. Ich bin zufrieden mit meinem heutigen Tageswerk. Ein unbezwingbarer Wasserfall bezwungen, viel meditiert und einen Steinturm gebaut. Was will das Globetrotter-Herz mehr!

Neue Begegnungen
Im Ashram treffe ich auch auf verschiedene andere Reisende, die mehr oder weniger lang hier abgestiegen sind und das Leben in der ruhigen Kommune geniessen. Da wäre die amerikanische Masseurin, die aber bereits in über vierzig anderen Berufen gearbeitet hat – meisst gleichzeitig wie sie erläutert. Oder das israelische Pärchen, er Börsenmakler, sie Ärztin, welche bereits vor mir die glitschige Erfahrung mit dem Wasserfall gemacht und mich auch entsprechend davor gewarnt hatten.

Mit seinem langen, braun-weissen Bart sticht der amerikanische Guru Sadi natürlich unter allen hervor. Sein rein weisses, wallendes Gewand und der ebenfalls weisse Turban verstärken die ehrfürchtige Erscheinung noch. Ich will von ihm wissen, was er denn im Leben vor dem „Guru“ war. „Nun“ beginnt er zu erzählen „ich wuchs in sehr konservativen Verhältnissen in der USA auf. Meine Eltern waren sehr christlich und ich selber war diesbezüglich ebenfalls stark engagiert. In den späten sechzigern traf ich dann einen Sikh-Guru der die USA bereiste und Yoga-Unterricht gab. Ich war damals sehr von Yoga und der Lebensweise der Sikhs fasziniert und entschloss mich zu dieser Glaubensrichtung über zu treten. Mich interessierte allerdings weniger die damalige Hippie-Bewegung, als vielmehr eine sehr strikte Verfolgung der indischen Sikh-Glaubenslehre. Meine Eltern waren natürlich schockiert und mit meinem Vater habe ich nach Eröffnung meines Entscheides fünf Jahre nicht mehr gesprochen.

Damals war ich ein aktiver Gewehrchütze auf Olympia-Niveau. Ich wollte auch, selbst jetzt als Sikh, in die Armee eintreten, was damals eine grosse Diskussion auslöste. Ronald Reagan hatte gerade ein Gesetz wieder aufgehoben, welches den Sikhs erlaubte Militärdienst zu leisten. Denn die Sikhs sind bekannt für ihre kämpferischen Fähigkeiten und stellen einen Grossteil der indischen Armee, obwohl sie nur einer Minderheit im Land angehören. Ich war also, um darauf zurück zu kommen, ein absoluter Sonderling. Viele wollten ihren Armeedienst verhindern, ich wollte das genaue Gegenteil! Es wurde damals breit in der Presse debattiert.“
Er erzählt mir weiter von seinen zwei missglückten Eheschliessungen und wie er sein Dasein als Guru finanziert. „Weisst Du, ich war nicht schlecht im Geschäften und mit einundfünfzig habe ich nun genug Kapital um davon leben zu können. Man braucht nicht viel in Indien“ fügt er grinsend an und zieht bedeutsam die Augenbrauen hoch.

Schliesslich lerne ich auch noch Catharina und Walter aus Chile kennen. Beide sind bereits seit einem Jahr unterwegs und machen sofort einen aufgeschlossenen und sehr freundlichen Eindruck auf mich. Sie erzählen mir von Chile, welches über ein sehr ähnliches Klima wie die Schweiz verfüge. Dementsprechend ist es Catharina hier dauernd zu heiss. Walter scheint es hingegen nicht zu stören. Beide waren vorher in Thailand und erzählen mir begeistert von ihrer Reise. Ich müsse unbedingt den Sonntagsmarkt in Chiang Mai besuchen und dann auch hoch nördlich bis Chiang Rai reisen. Dort gäbe es einen wunderschönen Park, die Winterresidenz des Königs. Ich könne ja dann weiter über den Mekong Fluss nach Laos reisen, wobei ich unbedingt ein Boot nehmen und nicht aus versehen in einen Bus steigen soll. Die Busse seien katastrophal, die Boote dagegen sehr angenehm. Dann könne ich ja Richtung Süden und via Kambodscha wieder nach Bangkok zurück reisen. Ach ja, und ich solle unbedingt die Westküste und nicht die Ostküste bereisen, denn da sei während meiner Reisezeit Monsun. „Nicht noch einmal“, denke ich und nehme die ganzen Reisetips dankend entgegen.

Genau so hatte ich mir das vorgestellt. Ha! Endlich bin ich wirklich Globetrotter, in guter Gesellschaft und mit tausend neuen Reiseplänen im Kopf. Davon hatte ich immer geträumt während ich alleine in Indien durch den Monsun tuckerte.

Am nächsten Morgen mache ich mich wieder auf zu meinem Maggia-Turm-Ganges-Meditations-Traumstrand und erlebe eine Überraschung. Jemand hat meinen Turm verschönert. Er ist nun mit Räucherstäbchen und rotem Tilaka (einem farbigen Pulver das oft bei religiösen Zeremonien Verwendung findet) verziert. Ich bin wohl gerade zum hinduistischen Schrein-Designer aufgestiegen.

Mittwoch, 10. September 2008

Abenteuer Aeroflot

Wenn man billig von und nach Indien fliegen will, dann kann man das auch. Zuweil endet das halt in einem Abenteuer, wie beispielsweise meine Flüge mit der russischen Aeroflot. Zugegeben, ich hatte keine Ahnung, wie das ist, mit einer russischen Fluggesellschaft zu fliegen. Dementsprechend war ich offen für alles, solange ich nicht von der Maschine aus zehntausend Metern ausgespuckt Höhe ausgespuckt werde.

Bei meinem Rückflug in die Schweiz steige ich also interessiert in das russische Flugzeug. Das riesige Gefährt kann eigentlich nicht als solches bezeichnet werden. Es ist einfach zu gross zum fliegen. Ich habe mal was von einer Tupolev gelesen, einem ebenfalls russischen Flugzeug, das ganze Autos in seinem Bauch verschwinden lassen kann. Ein fliegender Mobby Dick. So ähnlich ist der Flieger in dem ich nun sitze. Die anderen Passagiere und ich verschwinden förmlich in der fliegen Halle. Ich zähle neun Sitzplätze pro Reihe! Dabei ist über die Hälfte nicht besetzt, was mir einen Liegesitz über drei Sitze verschafft. Die Decke ist so hoch wie in einer kommunistischen Versammlungshalle oder einem seltsam röhrenförmigen Kino. Nur läuft kein Film. Wieso auch, es fliegt sich ja auch so und die Akustik wäre eh nicht gerade blendend.

Die russischen Flugbegleiterinnen geben ziemlich klar zu verstehen, das mit Extrawünschen in diesem Flieger nicht viel zu wollen ist. In der fliegenden Halle sind die Passagiere ja auch kaum zu finden. Irgendwann findet eine unterkühlte Dame mich dann doch noch in einer einsamen Reihe und serviert mir ein mittelmässiges Dinner. Davon kriege ich jedoch schon nach kurzer Zeit Bauchschmerzen. Ausgerechnet ich, der grad sechs Wochen indische Esshygiene überlebt hat. Andere Länder, andere Bakterien.

Leider ist die fliegende Tennishalle nicht grad besonders schnell, vor allem nicht auf dem Moskauer Flughafen. Wir rollen etwas, stehen fünf Minuten rum, rollen wieder etwas weiter und stehen nochmals rum. Diese Tradition ist hier offensichtlich üblich, denn auch nach dem Verlassen des Monsters geht es nicht zügiger voran. Der Bus schliesst sich, rollt zehn Meter und steht dann auch nur rum. Ich schaue gehetzt auf die Uhr. Mein Anschlussflug geht in genau zehn Minuten. Das ist dann auch genau die Zeit, die ich im Bus weiter auf dem Rollfeld rumstehe.

Die Beamtendame am Transfer-Schalter bittet mich etwas abseits zu warten, als sie mein Ticket entgegen nimmt. Keine Entschuldigung, keine Erklärung, nur warten. Danach bedeutet sie mir mitzukommen und dirigiert mich durch den halben Flughafen. Na immer noch besser als irgendwo ohne Flug stehen gelassen zu werden denke ich mir und watschle ihr brav hinterher. Ein weiterer Schalter, eine weitere Dame, ein weiterer Flug. Allerdings nicht nach Zürich, sondern nach Hamburg. Und mit meinem Gepäck gibt es auch Probleme. Das wird vermutlich nicht rechtzeitig in Zürich ankommen, gibt man mir zu verstehen. Nicht so schlimm, entschliesse ich mich, dann wird mir halt jemand meinen Rucksack hinterher tragen müssen, hehe. Viel Spass!

Irgendwann bin ich dann auch tatsächlich in Hamburg und etwas später sogar in der Schweiz. Zwei Monate später sogar schon wieder im Flugzeug zurück nach Moskau. Diesmal zur Abwechslung in einer ganz normalen Linienmaschine und auch das Personal ist heute ganz nett. Ob das am Flugzeugtyp liegt? Vielleicht macht es ja einfach keinen Spass in einer fliegenden Tennishalle zu arbeiten.

Russische Toiletten-Tradition

Auf dem Flug von Moskau nach Delhi erhalte ich einen Sitzplatz mit direkter Sicht auf die Toilette. Zu Beginn ahne ich noch nicht, wie unterhaltsam so etwas sein kann. Kurz vor Abflug verschliesst eine Flugbegleiterin die Toilette mit einem Trick. Mit einem gewöhnlichen Plastikmesser schiebt sie das grüne Besetzt-Plättchen nach oben und schliesst so die Toilette von aussen. Nachdem wir unsere Flughöhe erreicht haben, versucht sie mit dem umgekehrten Trick die Toilette wieder aufzuschliessen. Leider hat sie nicht bemerkt, das dies schon von ihrer Kollegin erledigt wurde und inzwischen bereits ein Inder auf der Schüssel sitzt. Von aussen müht sie sich sichtlich genervt mit dem Plättchen ab. Von innen scheint der Inder dem Treiben entsetzt entgegenzuwirken und den Verschlussmechanismus zu blockieren. So mühen sich beide einige Zeit ab und haben wohl auch ähnliche Gedankengänge wie zum Beispiel „das kann doch nicht sein!“,„so ein Scheiss“ oder ähnlich. Nachdem ich breit grinsend dem amüsanten Theater eine Zeitlang zugeschaut habe, erkläre ich der russischen Dame, dass sie besser einfach warten soll bis der Inder wieder rauskomme, was sie unter peinlich berührtem Gekicher zu einem spontanen Gesichtsfarbwechsel in Richtung rot animiert.

Es sind etwa drei Stunden vergangen und die meisten Fluggäste nutzen den nächtlichen Flug um mehr oder weniger Schlaf vor oder nachzuholen. Jedoch nicht ganz alle Fluggäste. Einerseits wäre da der Fluggast aus der Schweiz, der einfach kein Auge zukriegt und sich dem idyllischen Ausblick auf die Toilette ergibt und andererseits ist da das junge russische Pärchen, welches plötzlich auf eben selbiger Toilette verschwindet. Gleichzeitig!

Ich versuche logische, eindeutig uneindeutige Erklärungen für das eben gesehene zu finden und nicht mehr ganz so deutlich auf die Türe des Häusschens zu starren. Das kann doch nicht sein! Das ist doch sicher nicht, was es zu sein scheint, oder etwa doch? Irgendwann beschliesse ich dann doch nicht prüder zu denken als ich in Wirklichkeit bin und einfach hinzunehmen, dass das da grad ist was es halt ist. Es wird durch gelegentliches Verbiegen der Toilettentür dann auch sanft unterstrichen.

Natürlich nehme ich davon nur ganz am Rande Notiz, nicht das ich sowas extra auch noch beobachten würde! Schliesslich will ich ja nicht als Spanner gelten! Mein Blickfeld ist halt nur sehr eingeschränkt und die Toilettentür füllt einen Grossteil davon aus. Ich werde also quasi zum Spannen gezwungen. Gut, ich sehe ja eigentlich nichts, sage ich mir und kann mich damit beruhigen. Dann zweifle ich aber gleich wieder daran, weil ich mir ja „vorstelle“ was die beiden da drin grad treibe und somit eine indirekte Form des Spannens betreibe. Plötzlich habe ich eine brillante Idee und krame die Augenbinde hervor, welche mir die Flugbegleiterin zu Beginn des Fluges ausgehändigt hatte. Damit lassen sich sämtliche sich verbiegenden Türen hervorragend abschirmen. Ahh ja, das ist gut. Dunkelheit, diskrete Dunkelheit!

Gedanklich hilft die Maske jedoch gar nichts und so ziehe ich sie mir nach kurzer Zeit wieder aus. Ich will ja aus rein statistischen Gründen auch wissen, wann die zwei wieder heraus kommen. Es sind etwa zehn Minuten. Beschliesse ich. Denn zu messen habe ich das nun wirklich nicht gewagt. Alles hat seine Grenzen! Die beiden sind sichtlich vergnügt und verschwinden ziemlich dynamisch wieder auf ihren Plätzen. Ich grinse nur in mich hinein und tue so, als hätte ich gar nichts gesehen. Habe ich ja eigentlich auch nicht.

Dafür sehe ich umso deutlicher, dass sich das Schauspiel eine halbe Stunde später wiederholt. Das gibt's doch nicht! So eine Frechheit! Doch diesmal wird es spannend. Eine dicke Inderin versucht auf die Toilette zu kommen und ich war mir diesmal nicht ganz sicher, ob das Pärchen die Türe richtig verschlossen hat. Insgeheim hoffe ich natürlich, das dem nicht der Fall ist! Schliesslich ist man ja ein klein wenig Sadist. Rein aus unterhaltungstechnischen Gründen versteht sich. Die Inderin hebelt an der Türe rum, kriegt sie jedoch nicht auf. Dann entdeckt sie, das auf der anderen Seite auch eine Toilette ist und gibt sich mit dieser zufrieden. Zwei Minuten später stürmt das Pärchen aus der Toilette, scheint jedoch trotz Toilettus Interruptus nicht weniger vergnügt als beim letzten mal. Zwei mal in dieser kurzen Zeit und erst noch auf der Flugzeugtoilette! Alle Achtung!

Was sagt uns diese Geschichte? In Russland scheint ein akuter Bettenmangel zu herrschen und die prüden Inderinnen wollen anscheinend unbedingt zuschauen, wenn endlich mal jemand etwas in Richtung angewandte Vermehrung demonstriert.