Gurgelnde Hochzeitsnacht
Gurgelnd verschluckt sich der Ablauf zum vierten mal. Beim ersten Geräusch habe ich mir noch keine Sorgen gemacht. Nachdem das Lavabo nun aber weiter mit röhrendem Blubbern auf akute Verdauungsstörungen hinweist, frage ich mich doch, was in den Innereien dieses Hotels haust.
Ich will schlafen! Die Hochzeit meines Schwesterchens Corina hat mich ganz schön geschlaucht. Ein wunderschöner Tag, nachdem man gerne ins Reich der Träume verduftet und die mannigfaltigen Eindrücken Revue passieren lässt. Mit Revue passieren lassen ist aber nichts im Hotel Schwanen in Stein am Rhein. Der Abfluss des einzigen sanitären Objekts in meinem Hotelzimmer führt weiter sein Solo-Hörspiel auf und stört sich nicht am Desinteresse des Publikums. Unterstützt wird er dabei von einem lallend singenden Gast, der einen Stock tiefer um ein Uhr morgens seinen übermässigen Alkoholkonsum akustisch untermauert. Insgeheim hoffe ich, dass mein Vater, welcher im Nachbarzimmer liegt und des nachts leicht zu stören ist, dem ungewollten Ständchen zu einem abrupten Ende verhilft. Aber leider verfügt er ausgerechnet heute über einen ausgezeichneten Schlaf und verweigert mir so beharrlich jede Schützenhilfe.
Hotel des grossen Staunens
Dieses Hotel ist der Hammer! Vermutlich ist es das absolut einzige Hotel der Schweiz, in welchem man die Schuhe am Eingang ausziehen und in grell grüne, gelbe oder rosarote Plüschfinken schlüpfen muss. Selbst meine achzigjährige Tante muss sich nun also in rutschigen Plüschfinken die Holztreppe hinaufschleppen. Im Zimmer erwartet mich dann, als Wiedergutmachung quasi, eine unverpackte Schoko-Waffel auf dem Bett. Zum Glück muss ich mich hygienisch ja immer noch auf Indien einstellen und nehme die Waffel also dankbar an.
Leider tröstet diese süsse Aufmerksamkeit auch nicht darüber weg, dass ich in einem 80-Franken Zimmer eigentlich eine Dusche und eine Toilette erwarte. Beides war auf der schriftlichen Bestätigung deutlich ersichtlich und ist nun genauso deutlich nicht existent. Ich suche im Zimmer nach weiteren Überraschungen und finde: Eine Kinderkrippe. Ja genau, das ist der Gegenstand, den ich für einen gesunden Schlaf benötige! Da überhört man doch gerne auch grölende Gäste und gurgelnde Lavabos.
Maxi-MahlAm nächsten Morgen erwache ich viel zu früh, weil mir die Sonne gnadenlos auf die Birne brennt. Leider hat das osteuropäische Hotelier-Pärchen vergessen, bei der Rennovation des Hotels Vorhänge einzuplanen. Vermutlich genauso wie Duschen, Toiletten, Seife und eine Hausordnung.
Ich setze mich also kurz danach etwas müde an den Frühstückstisch und warte vor gedeckter Tafel auf meine Verwandten. Glücklicherweise taucht nach kurzer Zeit meine Tante auf und wir beschliessen gemeinsam, uns über die leckeren Sachen her zu machen. Nach einigen Broten und einer Tasse Kaffee erklärt uns der Wirt, dass leider nur zwei Brotscheiben, ein Glas O-Saft und ein Kaffee im Preis inbegriffen sind. Werter Herr! Ich habe die halbe Nacht mit einem gurgelnden Lavabo, einem mies singenden Gast und einer Kinderkrippe verbracht! Um mich einigermassen in einen vernünftigen Zustand zu dirigieren sind mindestens drei Kaffees und etliche Scheiben Brot nötig. Ich bin aber zu feige um dies aufs Parkett zu bringe und verfalle daher lieber in einen zynischen Sarkasmus. „Wenn wir diese zwei Trauben nicht essen, können wir sie vielleicht gegen eine Scheibe Brot und einen halben Kaffee eintauschen“ schlage ich meiner Tante vor.
Meine Mutter welche inzwischen auch zu uns gestossen ist, erzählt derweil, dass die Badewanne in ihrem Zimmer auf Stahlfüssen direkt auf dem ungeschützten Parkettboden steht. „Aha“, denke ich mir. Es gibt also doch Badewannen in diesem Hotel. Und wozu um alles in der Welt haben wir eigentlich diese Plüschfinken getragen?
2 Kommentare:
Gut und lustig geschrieben, Mann!
Weiter so!
Ruedi S
Ich habe ja auch einen tollen Lehrer :o))
Bin mit dem Ergebnis jedoch noch lange nicht zufrieden, kann ja aber noch eine Weile üben!!
Watschelnde Grüsse
Jokobius Pilg
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