Montag, 14. Juli 2008

Das Geschäft mit dem Paradies


21 03 16.1 N, 86 29 32.3 E
Für die Inder leben wir alle im Paradies. Einem unendlich schönen und unendlich reichen Paradies. Ganz im Gegensatz zu Indien. Wobei dies auch wieder nicht ganz stimmt. Da kommt den Indern dann der Nationalstolz in die Quere. Immer sehe ich mich mit der Frage konfrontiert: „How do you like India“. Ob da nun ein versteckter Minderwertigkeits-Komplex durchscheint oder ob sich in der Frage der Stolz einer Nation spiegelt, blieb mir bisher verschlossen. Ich dagegen bekräftige immer wieder, wie wunderschön doch dieses Land sei, all die verschiedenen Kulturen, traumhaften Gegenden und netten Menschen. Ich schwärme von der wunderbaren Landschaft um Hampi, dem eindrücklichen Wagenfest von Puri und den riesigen, wenn auch verregneten Stränden von Arambol. Dies zaubert regelmässig ein befriedigtes Lächeln in die Gesichter meiner indischen Gesprächspartner und doch folgt sogleich immer eine Anschlussfrage. Woher ich denn komme. Aus Genf oder Zürich. Es seien ja so schöne Städte mit riesigen Häusern und all die tollen Berge.

Die Schweiz ist den Indern einschlägig bekannt. Ihr Eindruck ist durch die zahllosen Bollywood -Filme geprägt, in denen die Schweiz als die Honeymoon-Destination bejubelt wird. Vermutlich wegen des kühlen Klimas. Bei den Schweizer Temperaturen schlägt das (unterdrückte) erotische Herz jeder Inderin und jedes Inders etwas höher. Da immer die gleichen Orte, nämlich Genf und Zürich, gezeigt werden, die eben in den Bergen liegen und wobei Zürich als Hauptstadt der Schweiz fungiert, ist dies auch das indische Bild der Schweiz. Und natürlich sind alle Schweizer Reich. Sehr reich. Ich werde auch immer nach meinem Einkommen gefragt und rede dabei regelmässig um den heissen Brei herum. Ich hätte ja gar kein Einkommen als Globetrotter und ausserdem wisse ich nicht wie viel das in Rupis sei. Und man könne das ja nicht so eins zu eins vergleichen. Ich bringe jetzt immer den erschreckenden Vergleich was ein Liter Mineralwasser in der Schweiz kostet. Etwa hundert Rupis. Dafür fährt man hier ein paar Hundert Kilometer mit dem Bus. Und das indische Wasser kostet nur einen Zehntel davon. Es entspringt allerdings auch nicht diesen wunderschönen Bergen die man in den Bollywood-Filmen immer wieder sieht.
Der junge Durchschnittsinder will also in die Schweiz. Und dann gleich bei mir wohnen. Ich hätte schon halb Indien in meiner nicht mehr existierenden Wohnung, währe ich auf all die Anfragen eingegangen. Da ist es dann sehr praktisch, eben gar nicht erst eine Wohnung zu haben, was eine dankbare und einleuchtende Erklärung ist, warum derzeit niemand aus Indien bei mir wohnen kann.

Mit der Zeit habe ich auch noch eine weitere Ebene dieser Scheinwelt gesehen, welche in Indien so populär ist. Mit der Vermittlung von Jobs im Ausland muss in Indien eine unglaubliche Menge Geld gemacht werden. Das fängt schon bei der Werbung im Fernsehen an, die allgegenwaertig ist. Karriere- und Jobplattformen aus aller Welt gaukeln da dem Inder vor, das genau er das fehlende Teil im Puzzle jeder westlichen Firma sei. Darauf aufbauend boomt das Ausbildungs-Geschäfts welches eine unendliche Bandbreite an In- und Auslandslehrgängen, vor allem im IT- und Netzwerk-Sektor, auf den Indischen Markt wirft. Abschlüsse aller Art werden hier per Internet angepriesen. Lehrgangsleitfäden können heruntergeladen werden und mit einem weiteren Klick erscheinen ein paar halbnackte Kalifornierinnen, die natürlich ebenfalls nur auf die Unterstützung aus Indien wartet.

Wenn man mit Indern spricht, die aber tatsächlich in der Schweiz leben und arbeiten sieht die Sache schon anders aus. Die kulturellen Unterschiede seien halt schon sehr gross und Kontakt zu einer Schweizerin herzustellen sei für einen Inder praktisch unmöglich. Ganz abgesehen davon, dass sie von den Eltern höchstwahrscheinlich nicht akzeptiert würde, falls sich tatsächlich eine Beziehung ergäbe. Denken doch viele indische Familien diesbezüglich noch sehr konservativ, sprich – geheiratet wird nur innerhalb der gleichen Kaste. Und mit den Jobs sei das auch nicht ganz so einfach, wie das in Indien immer angepriesen werde.

Trotz all dem hat fast jede reichere Grossfamilie heute irgendwo einen Verwandten in einem westlichen Land. Eigentlich müsste sich doch langsam herumsprechen, das die Realität in den westlichen Ländern manchmal etwas anders aussieht als es die Werbung es verspricht. Ja vielleicht ist dies sogar schon geschehen. Ich wurde erstaunlicherweise nie gross auf das Traumland USA angesprochen. Haben wir Schweizer die USA als beliebteste Zieldestination verdrängt? Ja, die USA sei nicht mehr sehr interessant für sie, erklärt mir ein junger Student auf einem Bahnhof von Bhadrakh, welches ebenfalls über eine Universität verfügt. Dann erklärt er mir wieso das so ist und ich verstehe kein Wort. Zu viel indischer Nasaldialekt für meine Ohren. Ich grinse und nicke nur freundlich, wie ich das in solchen Situationen immer zu tun pflege.
In „The Times of India“ lese ich etwas spaeter, das die USA immer noch das Hauptland für ein Auslandstudium sei, gefolgt von England und Deutschland. Die Schweiz ist gar nicht erwähnt. Wo liegt nun die Wahrheit? In Bollywood?
Vielleicht irgendwo dazwischen, denn auch der Times of India kann man nicht wirklich glauben, wird gemäss dem erwähnten Artikel doch in Deutschland immer noch mit Deutschmark bezahlt. Ausgerechnet im Euroland Deutschland!

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