Nichtstun in Goa
Vor mir frisst sich das Meer in weissbraunen Wogen ins Ufer. Drei Fischer mit grünen und weissen Wurfnetzen kämpfen gegen das schäumende Monstrum. Unerbittlich werfen sie ihm ihre Netze entgegen. Immer dann, wenn eine neue Welle sich bricht. Das sie dabei etwas fangen habe ich bis jetzt nicht beobachtet. Nur die braune Flut versucht sie zu verschlucken. Doch dann entdecke ich einen zappelnden Fisch im Umhängekorb eines Fischers. Das Meer hat seinen Obolus also doch geleistet. Der Fischer sieht trotzdem nicht unbedingt glücklich aus.
Ich bin in Arambol gelandet. Einer wunderschönen Strandbucht im Norden Goas. Das Ufer ist gesäumt von Fischerhüttchen, Palmen und anderen Bäumen. Das nördliche Ende der Bucht wird von hohen Felsen begrenzt, die im ständigen Kampf mit den Fluten bizarre Formen ausgebildet haben. Das Wasser schiesst in zehn Meter hohen Fontänen an den Felsen hoch. Es Donnert ständig als würde ein Jumbojet landen.
Der Monsun verwandelt die sonst ruhige Bucht in eine kochende Waschmaschine. Der ständige Wind fordert seinen Tribut und reisst so manches Strohdach ins Meer. Viele Hausbesitzer haben vorgesorgt und ihre Häuser mit blauen Planen eingepackt. Wie Geschenke sehen sie aus, die ganzen Bungalows, Strandbars und Ferienhäuschen. Ich hätte den Zeitpunkt der Bescherung gerne erlebt!
Das ganze Dorf folgt architektonisch nicht nicht wirklich einer Linie. Die Häuschen sind bunt zusammen gewürfelt und kleben am unterspülten Fels. Als hätte der Wind sie dort hingetragen und nach Lust und Laune irgendwo fallen gelassen. Eins hier, eins da, eins dort drüben am Strand. Nur immer möglichst nahe am Meer. Während dem Monsun ist diese Platzierung allerdings nicht wirklich verständlich. Die vordersten Häuschen (wie meins) sind jetzt nass, salzig und ohne Strom. Meistens jedenfalls. Wenn der Regen und Wind mal ein paar Stunden nachlässt, fängt es im Versorgungsmasten vor meinem Ressort an zu funken und ich muss meinen Ventilator einschalten. Dies, damit genug „Saft“ über den Funken fliesst. Und schon habe ich Strom. Für ein paar Minuten. Einmal sogar für einen halben Tag! Generator overloaded always. Goa.
Dabei soll es hier un-glaub-lich schön sein. Einer der schönsten Strände Goas, sagt mein Reiseführer. Wie zum Beweis ist da ein Foto zu sehen, mit palmgesäumten, weissen Stränden , ruhigem Meer und enzianblauem Himmel.
Doch irgend etwas in mir sagt mir, dass ich genau das NICHT gebraucht habe. Durch den Regen, den fehlenden Strom und ständigen Sturm vor der Hütte bin ich zum „Nichtstun“ gezwungen. Wollte ich nicht genau das? Wie als Antwort haut es mich am dritten Tag mit Fieber ins Bett. Nun kann ich noch weniger tun. Alles tut mir weh und ich tue mir selber furchtbar leid. Niemand da, der sich um mich kümmert. Ich werde hier sicher nach einigen Tagen auf über hundert Grad aufheizen und dann als mickriges Dampfwölkchen in der Gischt verschwinden. Niemand wird es sehen!
Immer wieder schaue ich auf das Display meines Natels, ob mir nicht doch noch jemand eine tröstende SMS schickt. Herrgot Sack, also irgendwer muss doch an mich denken!
Petras Unfall
Mitten im grössten Selbstmitleid sehe ich Schatten unter Türe und höre leise Stimmen. Die Neugierde reisst mich aus meinen trüben Gedanken. „We need help, an accident happened“ , kommt mir ein bärtiger und ziemlich aufgeregter Hippi mit reichlich Akzent in der Aussprache entgegen. Er wird von seiner Freundin flankiert, die ihn bleich und verwirrt begleitet. „Sprecht ihr Deutsch“, will ich stattdessen wissen. „Ja“ sagen beide und deuten dann ohne Worte auf Petras Knie.
„Was ist denn passiert“ will ich wissen, als ich das aufgeplatzte Knie sehe, aus dem ein steter Schwall von Blut auf meine Veranda pumpt. Ich fand diese Frage durchaus gerechtfertigt, denn schliesslich muss ich erst meinen eigenen Schock überwinden. So viel Blut..., und auch andere Dinge die ich noch nie in dieser Form gesehen habe, sind da an Petras* Knie - beziehungsweise auf meiner Veranda - zu entdecken. Ich kann plötzlich nicht mehr atmen, was die Lage nicht unbedingt entspannt, denn auch das Reden bedarf zumindest einem minimalen Quantum an Sauerstoff.
Ihr müsst wissen, dass ich nicht gerade der Held bin, was das Betrachten von Blut und offenen Wunden anbelangt. Im Nothelferunterricht, in welchem zur Abhärtung diese scheusslichen Unfallbilder gezeigt werden, wurde mir immer speihübel. Ich bin also nicht gerade abgehärtet, was mir in dieser Situation grad unglaublich hilft!
Heinz*, Petras Freund – davon gehe ich jedenfalls aus, denn er benutzt Vokabeln wie „Schnukki“ und „Schatz“ - tänzelt immer aufgeregter um Petra rum. „Soll ich einen Arzt holen? Soll ich ein Taxi rufen“. „Wo soll das denn hinfahren? Hier auf die Klippe oder was?“ denke ich mir. „Was kommt denn da raus? Ist das eine Vene? Da kommt was schwarzes raus!“ ruft Heinz nun noch aufgeregter. Petra sagt nichts. Sie fingert still an ihrer Wunde rum und versucht das was da rauskommt wieder rein zudrücken. Ich erinnere mich schwach an einen Schockzustand der bei Unfällen dieser Art auftreten kann und schicke Heinz ein Taxi holen. So hat er wenigstens eine Aufgabe. Ich kann es ihm allerdings nicht verübeln so nervös zu reagieren. Ich würde in seiner Lage sicher genauso hilflos Rumeiern. Ich komme ja noch nicht mal mit meiner eigenen Erkältung klar!
In einem Geistesblitz dessen Herkunft ich meinem eigenen Schockzustand zuschreibe, kommt mir die Armee-Verbandspatrone Modell A in den Sinn, welche ich nun schon um die halbe Welt getragen habe. Ja, oh du rettende Patrone, nun ist deine holde Stunde gekommen! Ausgerechnet mit einer Armeepatrone verarzte ich einen Hippi. Die Welt ist lustig!
Aber erst versuche ich Petra davon zu überzeugen, dass sie die Wunde nicht mehr anfasst und wasche sie mit Desinfektionsmittel aus. Dieses ist allerdings nicht aus Armeebeständen, sonst hätte mich Petra wohl infolge der brennenden Nebenwirkungen erwürgt. Erstaunlich gut lässt sich die Wunde mit der Armeepatrone verbinden und im nuh sieht alles schon nicht mehr so dramatisch aus. Ich schäme mich während dem Wickeln fast etwas. Wie ich doch vor kurzem noch meinen eigenen Zustand so unglaublich schlimm fand. Und nun sehe ich die arme Petra vor mir.
Heinz kommt nach einigen Minuten zurück. Ich bin froh, denn ich weiss nicht was ich Petra noch anbieten soll, ausser einem Stuhl, etwas Wasser und meiner leintuchweissen Erscheinung. Später fällt mir dann ein, dass ich für solche Situationen homöopathische Notfallkügeli in meinem Rücksack habe. Durch das viele viele Blut wurden jedoch die Notfallkügeli im Rausch meines eigenen Zustands mental glatt ins Meer gespült.
Heinz führt seine Freundin in Begleitung meiner gut gemeinten, aber völlig überflüssigen, Umsorgung auf den Dorfplatz. Hier soll irgendwann das Taxi ankommen. Petra meint etwas enttäuscht: „Ich dachte du hättest das organisiert!!“.
In Anbetracht der weiter Wartezeit muss nun auch ich mich endlich setzten. Mir ist schlecht! Petra ist weiss. Ich bin weiss. Petra übergibt sich diskret ins Gebüsch. Ich schaue weg. Nein, das wäre nun wirklich zu viel. Ich kann nicht immer im Mittelpunkt stehen und überlasse Petra mit einiger Anstrengung sämtliches Mitgefühl der inzwischen umfangreichen Menschenmenge. Mir geht's gut!
Endlich verabschieden mich Heinz und Petra und ich kann zurück in meine Strandhütte, wo ich mich erst mal hinlegen und erholen muss. Ich sinniere und versuche meine eigene Lage zu verstehen. Was für wundervolle Erlebnisse durfte ich doch schon geniessen! Der stetige, heisse Puls Mumbais. Die interessante und durchaus bequeme Zugfahrt von Mumbai nach Arambol. Die ersten lustigen Globetrotter-Bekanntschaften.
Ich versuche wieder ins „Nichtstun“ einzusteigen, aber es will mir immer noch nicht gelingen. Also lese ich etwas in Krishnamurtis Buch.
„Die meisten Leute sind der Meinung, das Lernen durch Vergleichen gefördert wird, dabei ist das Gegenteil der Fall. Vergleichen führt zu Frustration und fördert nur den Neid, der Wettbewerb genannt wird. Wie andere Formen der Beeinflussung verhindert Vergleichen das Lernen und erzeugt Angst.“
Wie viel Wahrheit ich doch in diesem Text sehe. So oft finde ich diese Worte in meinem eigenen Leben bestätigt. Das Erlebnis von heute ist ein weiterer Beweis. Jill, die Künstlerin auf der Ranch, hatte eine andere gute Formulierung dafür:
„Es wird immer schief gehen, wenn man unbedingt die „Credits“ für seine Leistungen ergattern will.“
Wenn ich ehrlich bin, will ich die „Credits“ sehr oft. Besonders in Momenten, in denen ich mich nicht stark fühle. Ja, das kommt durchaus vor, ist aber an ein ständiges Auf und Ab gebunden. Je mehr ich mich der Achterbahn des Lebens aussetze, Herausforderungen zulasse, umso intensiver werden diese Momente. Als Kontrapunkt gehören dazu natürlich auch die überschwänglichen Glücksmomente, die einen grossen Teil meiner Weltreise ausmachen. Doch die sind „einfach“ zu ertragen und fordern nur den Moment voll und ganz zu geniessen.
Die schwierigen Momente wollen volle Aufmerksamkeit. Wenn ich versuche zu flüchten, erzwingen sie es einfach. Ich spüre physische Auswirkungen. Mir wird schlecht, ich kriege Probleme mit dem Magen oder werde sogar krank. Also liege ich flach und muss hinschauen. Und schreibe die Gedanken auf, denn auch das zwingt meinen Geist hin zu schauen.
Doch mitten in all den Gedanken erinnere ich mich an den Ring, der da an einem Lederband um meinen Hals baumelt. Ich nehme ihn in die Hand und schon geht es rasant aufwärts. Du bist plötzlich da. Ja, es ist etwas geschummelt, aber das Leben nimmt sich selber auch nicht so ernst. Und zum „Nichtstun“ ist's noch zu früh.
Ich bin in Arambol gelandet. Einer wunderschönen Strandbucht im Norden Goas. Das Ufer ist gesäumt von Fischerhüttchen, Palmen und anderen Bäumen. Das nördliche Ende der Bucht wird von hohen Felsen begrenzt, die im ständigen Kampf mit den Fluten bizarre Formen ausgebildet haben. Das Wasser schiesst in zehn Meter hohen Fontänen an den Felsen hoch. Es Donnert ständig als würde ein Jumbojet landen.
Der Monsun verwandelt die sonst ruhige Bucht in eine kochende Waschmaschine. Der ständige Wind fordert seinen Tribut und reisst so manches Strohdach ins Meer. Viele Hausbesitzer haben vorgesorgt und ihre Häuser mit blauen Planen eingepackt. Wie Geschenke sehen sie aus, die ganzen Bungalows, Strandbars und Ferienhäuschen. Ich hätte den Zeitpunkt der Bescherung gerne erlebt!
Das ganze Dorf folgt architektonisch nicht nicht wirklich einer Linie. Die Häuschen sind bunt zusammen gewürfelt und kleben am unterspülten Fels. Als hätte der Wind sie dort hingetragen und nach Lust und Laune irgendwo fallen gelassen. Eins hier, eins da, eins dort drüben am Strand. Nur immer möglichst nahe am Meer. Während dem Monsun ist diese Platzierung allerdings nicht wirklich verständlich. Die vordersten Häuschen (wie meins) sind jetzt nass, salzig und ohne Strom. Meistens jedenfalls. Wenn der Regen und Wind mal ein paar Stunden nachlässt, fängt es im Versorgungsmasten vor meinem Ressort an zu funken und ich muss meinen Ventilator einschalten. Dies, damit genug „Saft“ über den Funken fliesst. Und schon habe ich Strom. Für ein paar Minuten. Einmal sogar für einen halben Tag! Generator overloaded always. Goa.
Dabei soll es hier un-glaub-lich schön sein. Einer der schönsten Strände Goas, sagt mein Reiseführer. Wie zum Beweis ist da ein Foto zu sehen, mit palmgesäumten, weissen Stränden , ruhigem Meer und enzianblauem Himmel.
Doch irgend etwas in mir sagt mir, dass ich genau das NICHT gebraucht habe. Durch den Regen, den fehlenden Strom und ständigen Sturm vor der Hütte bin ich zum „Nichtstun“ gezwungen. Wollte ich nicht genau das? Wie als Antwort haut es mich am dritten Tag mit Fieber ins Bett. Nun kann ich noch weniger tun. Alles tut mir weh und ich tue mir selber furchtbar leid. Niemand da, der sich um mich kümmert. Ich werde hier sicher nach einigen Tagen auf über hundert Grad aufheizen und dann als mickriges Dampfwölkchen in der Gischt verschwinden. Niemand wird es sehen!
Immer wieder schaue ich auf das Display meines Natels, ob mir nicht doch noch jemand eine tröstende SMS schickt. Herrgot Sack, also irgendwer muss doch an mich denken!
Petras Unfall
Mitten im grössten Selbstmitleid sehe ich Schatten unter Türe und höre leise Stimmen. Die Neugierde reisst mich aus meinen trüben Gedanken. „We need help, an accident happened“ , kommt mir ein bärtiger und ziemlich aufgeregter Hippi mit reichlich Akzent in der Aussprache entgegen. Er wird von seiner Freundin flankiert, die ihn bleich und verwirrt begleitet. „Sprecht ihr Deutsch“, will ich stattdessen wissen. „Ja“ sagen beide und deuten dann ohne Worte auf Petras Knie.
„Was ist denn passiert“ will ich wissen, als ich das aufgeplatzte Knie sehe, aus dem ein steter Schwall von Blut auf meine Veranda pumpt. Ich fand diese Frage durchaus gerechtfertigt, denn schliesslich muss ich erst meinen eigenen Schock überwinden. So viel Blut..., und auch andere Dinge die ich noch nie in dieser Form gesehen habe, sind da an Petras* Knie - beziehungsweise auf meiner Veranda - zu entdecken. Ich kann plötzlich nicht mehr atmen, was die Lage nicht unbedingt entspannt, denn auch das Reden bedarf zumindest einem minimalen Quantum an Sauerstoff.
Ihr müsst wissen, dass ich nicht gerade der Held bin, was das Betrachten von Blut und offenen Wunden anbelangt. Im Nothelferunterricht, in welchem zur Abhärtung diese scheusslichen Unfallbilder gezeigt werden, wurde mir immer speihübel. Ich bin also nicht gerade abgehärtet, was mir in dieser Situation grad unglaublich hilft!
Heinz*, Petras Freund – davon gehe ich jedenfalls aus, denn er benutzt Vokabeln wie „Schnukki“ und „Schatz“ - tänzelt immer aufgeregter um Petra rum. „Soll ich einen Arzt holen? Soll ich ein Taxi rufen“. „Wo soll das denn hinfahren? Hier auf die Klippe oder was?“ denke ich mir. „Was kommt denn da raus? Ist das eine Vene? Da kommt was schwarzes raus!“ ruft Heinz nun noch aufgeregter. Petra sagt nichts. Sie fingert still an ihrer Wunde rum und versucht das was da rauskommt wieder rein zudrücken. Ich erinnere mich schwach an einen Schockzustand der bei Unfällen dieser Art auftreten kann und schicke Heinz ein Taxi holen. So hat er wenigstens eine Aufgabe. Ich kann es ihm allerdings nicht verübeln so nervös zu reagieren. Ich würde in seiner Lage sicher genauso hilflos Rumeiern. Ich komme ja noch nicht mal mit meiner eigenen Erkältung klar!
In einem Geistesblitz dessen Herkunft ich meinem eigenen Schockzustand zuschreibe, kommt mir die Armee-Verbandspatrone Modell A in den Sinn, welche ich nun schon um die halbe Welt getragen habe. Ja, oh du rettende Patrone, nun ist deine holde Stunde gekommen! Ausgerechnet mit einer Armeepatrone verarzte ich einen Hippi. Die Welt ist lustig!
Aber erst versuche ich Petra davon zu überzeugen, dass sie die Wunde nicht mehr anfasst und wasche sie mit Desinfektionsmittel aus. Dieses ist allerdings nicht aus Armeebeständen, sonst hätte mich Petra wohl infolge der brennenden Nebenwirkungen erwürgt. Erstaunlich gut lässt sich die Wunde mit der Armeepatrone verbinden und im nuh sieht alles schon nicht mehr so dramatisch aus. Ich schäme mich während dem Wickeln fast etwas. Wie ich doch vor kurzem noch meinen eigenen Zustand so unglaublich schlimm fand. Und nun sehe ich die arme Petra vor mir.
Heinz kommt nach einigen Minuten zurück. Ich bin froh, denn ich weiss nicht was ich Petra noch anbieten soll, ausser einem Stuhl, etwas Wasser und meiner leintuchweissen Erscheinung. Später fällt mir dann ein, dass ich für solche Situationen homöopathische Notfallkügeli in meinem Rücksack habe. Durch das viele viele Blut wurden jedoch die Notfallkügeli im Rausch meines eigenen Zustands mental glatt ins Meer gespült.
Heinz führt seine Freundin in Begleitung meiner gut gemeinten, aber völlig überflüssigen, Umsorgung auf den Dorfplatz. Hier soll irgendwann das Taxi ankommen. Petra meint etwas enttäuscht: „Ich dachte du hättest das organisiert!!“.
In Anbetracht der weiter Wartezeit muss nun auch ich mich endlich setzten. Mir ist schlecht! Petra ist weiss. Ich bin weiss. Petra übergibt sich diskret ins Gebüsch. Ich schaue weg. Nein, das wäre nun wirklich zu viel. Ich kann nicht immer im Mittelpunkt stehen und überlasse Petra mit einiger Anstrengung sämtliches Mitgefühl der inzwischen umfangreichen Menschenmenge. Mir geht's gut!
Endlich verabschieden mich Heinz und Petra und ich kann zurück in meine Strandhütte, wo ich mich erst mal hinlegen und erholen muss. Ich sinniere und versuche meine eigene Lage zu verstehen. Was für wundervolle Erlebnisse durfte ich doch schon geniessen! Der stetige, heisse Puls Mumbais. Die interessante und durchaus bequeme Zugfahrt von Mumbai nach Arambol. Die ersten lustigen Globetrotter-Bekanntschaften.
Ich versuche wieder ins „Nichtstun“ einzusteigen, aber es will mir immer noch nicht gelingen. Also lese ich etwas in Krishnamurtis Buch.
„Die meisten Leute sind der Meinung, das Lernen durch Vergleichen gefördert wird, dabei ist das Gegenteil der Fall. Vergleichen führt zu Frustration und fördert nur den Neid, der Wettbewerb genannt wird. Wie andere Formen der Beeinflussung verhindert Vergleichen das Lernen und erzeugt Angst.“
Wie viel Wahrheit ich doch in diesem Text sehe. So oft finde ich diese Worte in meinem eigenen Leben bestätigt. Das Erlebnis von heute ist ein weiterer Beweis. Jill, die Künstlerin auf der Ranch, hatte eine andere gute Formulierung dafür:
„Es wird immer schief gehen, wenn man unbedingt die „Credits“ für seine Leistungen ergattern will.“
Wenn ich ehrlich bin, will ich die „Credits“ sehr oft. Besonders in Momenten, in denen ich mich nicht stark fühle. Ja, das kommt durchaus vor, ist aber an ein ständiges Auf und Ab gebunden. Je mehr ich mich der Achterbahn des Lebens aussetze, Herausforderungen zulasse, umso intensiver werden diese Momente. Als Kontrapunkt gehören dazu natürlich auch die überschwänglichen Glücksmomente, die einen grossen Teil meiner Weltreise ausmachen. Doch die sind „einfach“ zu ertragen und fordern nur den Moment voll und ganz zu geniessen.
Die schwierigen Momente wollen volle Aufmerksamkeit. Wenn ich versuche zu flüchten, erzwingen sie es einfach. Ich spüre physische Auswirkungen. Mir wird schlecht, ich kriege Probleme mit dem Magen oder werde sogar krank. Also liege ich flach und muss hinschauen. Und schreibe die Gedanken auf, denn auch das zwingt meinen Geist hin zu schauen.
Doch mitten in all den Gedanken erinnere ich mich an den Ring, der da an einem Lederband um meinen Hals baumelt. Ich nehme ihn in die Hand und schon geht es rasant aufwärts. Du bist plötzlich da. Ja, es ist etwas geschummelt, aber das Leben nimmt sich selber auch nicht so ernst. Und zum „Nichtstun“ ist's noch zu früh.
* Namen geändert
2 Kommentare:
:-*
Ach, herrje...wie ist Petra denn nun zu ihrem blutigen Knie gekommen? Mein Prinz der Winde, ich denke hier in Neverland ohne Ablass an dich. Da hier zuerst der
Kompressor beim Nachbarn, dann sämtliche Rasenmäher reihum, dann eine fliesensägende Flex während den letzten Tagen und heute zwei (!) Kärcher
mich an den Rande des Verstandes drängen seit ich hier wiederstebend gestrandet bin, kann ich es nicht erwarten in mein ruhiges NY zu kommen-oder wie ging dein Trick mit dem nicht zwischen sich und dem Geräusch stehen. Blau ist das Vergißmeinnicht-blau bin ich zwar nicht doch denk
an dich. Mit diesem schlechtgezimmerten Reim und
einer leider nur mentalen Bekochung-wünsche ich Dir eine baldige Wiederherstellung sämtlicher Kräfte-bis später.
ton amie l'artiste (un peu triste)
p.s. es gefiel mir doch irgendwie besser, dich zumindest auf dem selben Kontinent zu wissen.
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